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ETHistory 1855-2005 | Besichtigungen | Orte | MILAK |

Militärakademie oder MILAK

Die 1878 eingeführten kriegswissenschaftlichen Vorlesungen sollten die Polytechniker auf militärische Führungsaufgaben vorbereiten. Wie die staats- und geisteswissenschaftlichen Freifächer, denen sie anfangs angegliedert waren, wurden sie aber nicht für obligatorisch erklärt.

"Unerlässlich aber bleibt eine militärische Jugenderziehung auf den Schulen, namentlich den Gymnasien und den Gewerbeschulen, damit wir bei den jüngern Generationen einen Stamm von Leuten finden, welchen das militärische Denken, weil von der Muttermilch aufgesogen, geläufig ist, so dass wir nicht immer mit dem ABC anfangen müssen", forderte Emil Rothpletz, der spätere erste Inhaber des militärwissenschaftlichen Lehrstuhls am Polytechnikum, in einem 1869 veröffentlichten Artikel. Bundesrat Emil Welti und dem radikalen Freisinn zugehörige Offiziere wie Wilhelm Rüstow und Emil Rothpletz gehörten zu den ersten Militärautoren, die in den 1860er-Jahren Elemente der idealistischen Staatsrechtslehre auf die schweizerischen Verhältnisse übertrugen. Ferner erklärten sie den Krieg auch für das Schweizer Volk, wollte es sich als Nation behaupten, zu einem notwendigen Prüfstein. Leitbild des 1868 präsentierten Reformprogramms von Bundesrat Welti, der so genannten "Welti-Reform", bildete die Nation armιe, das bewaffnete Staatsvolk, das vor allem durch zivile staatliche Institutionen zur Kriegsfähigkeit erzogen werden sollte. Nachdem der Zugriff auf das nationale Männerpotenzial durch den Verfassungsgrundsatz der allgemeinen Wehrpflicht (1874) gewährleistet war, machte sich das republikanische Lager im Schweizerischen Offizierskorps für eine "Vereinigung von ziviler und militärischer Bildung" stark. Sie plädierten für ein Schulsystem, das die Jugend militärisch bildete und die Absolventen höherer Schulen – insbesondere technisch-wissenschaftlicher Hochschulen – auf die Offizierslaufbahn vorbereitete. Gemäss der "Nationalen Richtung", die den schweizerischen Militärdiskurs der 1860er- und 1870er-Jahre bestimmte, sollte die Offiziersautorität auf fundiertem Wissen und vorbildlicher Persönlichkeit gegründet sein. Der Gehorsam der Soldaten, als "Bürger in Uniform" konzipiert, sollte auf einer dem Gemeinsinn geschuldeten Freiwilligkeit beruhen.

Die dem radikalen Bildungsoptimismus verplichteten Reformideen wurden jedoch nur ansatzweise und gegen Ende des Jahrhunderts immer zögerlicher umgesetzt. Zwar entstand 1878 am Zürcher Polytechnikum eine Professur für Kriegsgeschichte, Strategie, Taktik, Heeresorganisation und Heeresverwaltung, doch die militärwissenschaftlichen Vorlesungen wurden entgegen dem Postulat der Initianten - und im Gegensatz etwa zum turnerischen Vorunterricht an den Volks- und Mittelschulen - nicht für obligatorisch erklärt. "Der militärische Unterricht an den höheren Schulen [fiel] der unrichtigen Unterscheidung zwischen Bürger und Soldat zum Opfer! Es ist umsomehr zu bedauern als zumeist aus den Reihen dieser Jünglinge die künftigen Offiziere hervorgehen", klagte Emil Rothpletz in der Eröffnungsrede zu seinen ersten kriegswissenschaftlichen Vorlesungen. Die Unterscheidung zwischen Bürger und Soldat, die Rothpletz in der Tradition des eidgenössischen Milizsystems aufgehoben sehen wollte, wurde in der Folge noch verschärft: Die "Neue Richtung" des Militärdiskurses, die sich um die Jahrhundertwende unter dem späteren General Ulrich Wille durchzusetzen begann und welche die schweizerische Militärpolitik bis zum Ersten Weltkrieg dominierte, hielt nicht viel von einer Demokratisierung der militärischen Bildung.

Für die preussisch orientierten Militaristen war "Kriegstauglichkeit" das oberste Ausbildungsziel, zu erreichen nicht mit traditioneller Wissensvermittlung, sondern mit einer frühen, auf Gesinnungs- und Herkunftsprüfung basierenden Selektion geeigneter Führungskräfte und einer anschliessenden getrennten Aufzucht von Offizierscharakter und Soldatengehorsam. Unter Ulrich Wille, von 1909 bis 1913 Vorsteher der "militärwissenschaftlichen Abteilung des Polytechnikums", wurde das militärwissenschaftliche Fächerangebot ausgebaut und als "Berufsausbildung der militärischen Lehrer" neu strukturiert und professionalisiert.
Abteilung Genie des Armeestabes: In der Mitte Geniechef Robert Weber , Architekt, Oberstkorpskommandant und von 1924-1928 Dozent für Kriegsgeschichte, Stellungskrieg und Befestigungswesen an der Militärwissenchaftlichen Abteilung der ETH Zürich.
Abteilung Genie des Armeestabes: In der Mitte Geniechef Robert Weber , Architekt, Oberstkorpskommandant und von 1924-1928 Dozent für Kriegsgeschichte, Stellungskrieg und Befestigungswesen an der Militärwissenchaftlichen Abteilung der ETH Zürich.

Die 1911 eröffneten drei "Militärschulen" an der ETH – Schule I für Instruktoren in Rekrutenschulen und Offiziersschulen, Schule II für Lehrer in höheren Offizierskursen und Schule III für Schulkommandanten und Inhaber höherer Posten in der Militärverwaltung – blieben bis in die 1990er-Jahre bestehen. Allerdings täuscht der Schein der Kontinuität: Die Militärschule II beispielsweise konnte bis 1966 mangels Teilnehmer nie durchgeführt werden. Und auch die unzureichende wissenschaftliche Anschlussfähigkeit der eineinhalbjährigen Grundausbildung wurde immer wieder kritisiert. "Die drei Militärschulen sind, blickt man zurück auf die Instruktorenausbildung, ein grosser Fortschritt, und sie verdienen ein gute Dotierung und einen weiteren Ausbau. Aber man muss sich im klaren sein, dass sie höchstens auf dem Niveau einer Ingenieurschule oder einer Pädagogischen Hochschule, somit nach deutscher Einstufung einer 'Fachhochschule', stehen und nicht den Rang einer eigentlichen Hochschule mit wissenschaftlichem Rang und eigenen Forschungsinstituten beanspruchen können", hiess es am 28. Februar 1979, zum 100jährigen Bestehen der Militärwissenschaften an der ETH Zürich, in der Neuen Zürcher Zeitung.

Nach jahrzehntelanger Selbststilisierung als "vernachlässigte Institution" bemühten sich die Militärwissenschaften an der ETH erst im Zuge der jüngsten Strukturänderungen um einen gezielten Anschluss an internationale Standards: Mit der Umbenennung in "Militärakademie an der ETH Zürich MILAK/ETHZ", am 1. Juni 2002 vollzogen, verpasste sich die militärwissenschaftliche Abteilung der ETH – die seit 1993 "Militärische Führungsschule MFS" hiess – ein gründliches Face-Lifting. Die neue MILAK/ETHZ, in finanzieller Hinsicht eine Organisationseinheit des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS, versteht sich nicht nur als "Ausbildungsstätte für alle Berufsoffiziere der Schweizer Armee". Mit einem dreijährigen Bachelor-Studiengang in Staatswissenschaften sowie der Förderung von Dissertationen auf dem Gebiet der Militärgeschichte, Militärsoziologie oder Militärpsychologie möchte sich die flexibilisierte Führungsschule nun explizit auch als "international anerkanntes Kompetenzzentrum für Militärwissenschaften" behaupten.

Monika Burri

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