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Bildungsgänge

     
           
 

Bildungsgänge. Studieren an der ETH

Diplomurkunde 1877
Diplomurkunde 1877
Die Bildungsgänge, die die Polytechniker absolvierten, zielten auf mehr als den Erwerb eines Diploms. Folgt man den Wegen der Studierenden durch die Geschichte der ETH, eröffnen sich zahlreiche neue Perspektiven. Die Lehrangebote insbesondere der technischen Fächer wurden an den ersten Generationen von "Polytechnikumsschülern" überhaupt erst erprobt. Die im Hochschulalltag gemachten Erfahrungen trugen massgeblich dazu bei, die Ingenieurausbildung in wissenschaftliche Disziplinen aufzufächern.

Die jungen Leute wurden jedoch nicht nur fachlichen, sondern auch sozialen Disziplinierungen unterworfen. Die Öffentlichkeit – besonders Unternehmer, Politiker und die Eltern – beobachtete sie scharf. Nicht zuletzt als Reaktion auf diese Anforderungen und Zumutungen entstanden kollektive Vertretungsorgane wie der Verein der Studierenden VSETH. Die Studierenden eigneten sich innerhalb und ausserhalb dieser Vereine zudem Strategien an, um die Studienzeit zu bewältigen und sie als gesellschaftlich legitimierte biografische Phase des 'Noch nicht' zu nutzen.

   
  !!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!    
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Bildungsgänge

     
           
 

Die Erfindung der polytechnischen Lehre

Gottfried Semper: Entwurf eines Zeichentisches für das Zürcher Polytechnikum.
Gottfried Semper: Entwurf eines Zeichentisches für das Zürcher Polytechnikum.
Mit der konkreten Fächergestaltung beschäftigte sich im Frühjahr 1854 eine neunköpfige Kommission, die das erste Reglement der Schule auszuarbeiten hatte. Zentraler Gedanke war, Lehrinhalte von "unmittelbar praktischem Werthe, oder solche theoretische Unterrichtsgegenstände, welche eine unerlässliche Vorbereitung zum Verständnisse der ersten bilden", sinnvoll miteinander zu kombinieren. Die Formulierung lässt erkennen, dass die Praxisorientierung Vorrang vor mathematisch-theoretischen Fragestellungen hatte. Ihre konsequente Umsetzung blieb jedoch im von Industrie und Wirtschaft zunächst weitgehend abgekoppelten Raum der Hochschule schwierig. Denn nicht alle notwendigen Kompetenzen konnten didaktisch vermittelt werden.
   
 
   
 
 
 
 
 
 
   
 
 
 
 
 
 
   
 
 
 
 
 
   
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Bildungsgänge

     
           
 

Gesellschaftliches Anforderungsprofil

In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung des Polytechnikums war das Diplom noch nicht als Bildungsausweis etabliert. Womöglich avancierte es erst spät zum allgemein üblichen Studienabschluss, weil den Polytechnikern im Laufe ihres Studiums ein Habitus antrainiert wurde, an dem man ihre Bildungsbiografie ohnehin ablesen konnte.
Bei der Aufgabe, "gute Techniker" auszubilden, mussten die Direktoren des Polytechnikums widersprüchlichen Anforderungen gerecht werden. Die Industrie benötigte einerseits eine disziplinierte Wissenschaftlermehrheit: Ingenieure hatten sich als höhere Angestellte in Unternehmenswerkstätten und Laboratorien dem Prinzip der Arbeitsteilung bereitwillig unterzuordnen. Zugleich waren den Abgängern Führungsrollen innerhalb der schweizerischen Funktionselite zugedacht. Sie sollten daher nicht nur Fertigkeiten in den verschiedenen Fächern erwerben. Auch gesellschaftspolitisch relevante und die Persönlichkeit festigende Qualifikationen waren gefragt.
   
 
   
 
 
 
 
 
 
   
 
 
 
 
 
 
   
 
 
 
 
 
   
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Bildungsgänge

     
           
 

Die Studierendenverbände

Soziale Kompetenzen wurden auch in Fach- und Studentenverbindungen eingeübt. Diese Vereine positionierten sich organisatorisch von Beginn an zwischen geselligen Männerrunden und politischen Gruppierungen. Mit Gründung des Vereins der Polytechniker 1878, der später zum VSETH wurde, konnten die Studierenden ihren Anspruch auf kollektive Interessenvertretung erstmals durchsetzen.
Oft lag eine Mitgliedschaft in den verschiedenen Fachvereinen noch näher. Denn sie gewährte den Studierenden verständnisvolle Entlastung vom nur allzubekannten gemeinsamen Ausbildungsalltag als Architekten, Maschinenbauer, Förster oder Chemiker und half ihnen, sich in die zukünftig geforderte berufliche Rolle einzufinden.
   
 
   
 
 
 
 
 
 
   
 
 
 
 
 
 
   
 
 
 

 
 
   
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Bildungsgänge

     
           
 

Prüfungen

Auf dem Weg in die Berufswelt sind einige Initiationen zu durchleben. Diese Prüfungen geben Hinweise auf die Disziplinen- und Lehrkultur an der ETH. An der Hochschule lassen sich konkrete Orte benennen, an denen Studierende wissenschaftlich sozialisiert wurden und werden. Dies sind etwa die Zeichensäle, Werkstätten und Laboratorien. Jeder Ort kennt seine spezifischen Verfahren, um den angehenden Wissenschaftlerinnen und Ingenieuren Fertigkeiten und Einstellungen zu vermitteln. Auch Klausuren und Examen sind Sozialisierungsinstanzen. Sie werden nicht allein veranstaltet, um die Lernerfolge zu prüfen. Sie sind ebenso eine Probe für die Bereitschaft, sich der Autorität der Disziplin zu unterwerfen.
   
 
   
 
 
 
 
 
 
   
 
 
 
 
 
 
   
 
 
 
 
 
   
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Bildungsgänge

     
           
 

Der Student. Selbst- und Fremdbeschreibungen in den 1960er-Jahren

Vorläufigkeit. Provisorischer Rollentausch für die Reportage der Illustrierten Sie und Er zum Thema "Studentenehe", um 1960.
Vorläufigkeit. Provisorischer Rollentausch für die Reportage der Illustrierten Sie und Er zum Thema "Studentenehe", um 1960.
Die studentische Position ist in den 1960er-Jahren noch deutlich umrissen. Sie zeichnet sich auch weiterhin durch Jugendlichkeit, erlaubten Egozentrismus und Vorläufigkeit aus. Dieser Lebensstil schlägt sich vor allem in der Wohnsituation nieder, die von der Untermiete, über das Studentenwohnheim bis zur eigenen Wohnung oder zum Leben in Wohngemeinschaften reichen kann. Ein Thema, das weniger die Selbstbeschreibungen als vielmehr die Klischees über Studentinnen und Studenten lange dominierte, waren sexuelle Ausschweifungen. In diesen Vorstellungen kommen sehr traditionelle Stereotypen von Männlichkeit und Weiblichkeit zum Tragen.
   
 
   
 
 
 
 
 
 
   
 
 
 
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Bildungsgänge

     
           
 

Bildungsaufstieg

In einer Studie über die ETH-Studierenden aus dem Jahr 1966 kam die hochschuleigene Forschungsstelle für Arbeitspsychologie zu dem Schluss, dass "bei allen Mängeln, welche den verschiedenen Berechnungsmethoden des Akademiker-Anteils in den verschiedenen Kantonen anhaften", es sich doch nicht übersehen lasse, "dass offenbar tatsächlich erhebliche kantonale Unterschiede hinsichtlich dieses Anteils bestehen". Als nahe liegende Erklärung verwiesen die Autoren auf das unterschiedliche Angebot an weiterführenden Schulen. Neben dem Grad der kantonalen Urbanisierung spielten für einen Eintritt ins Polytechnikum auch der familiäre Hintergrund, der konfessionelle und finanzielle Aspekte einschloss, sowie das Geschlecht eine Rolle.
Bildungsgänge. Treppenhaus in der ETH Hönggerberg, 1973.
Bildungsgänge. Treppenhaus in der ETH Hönggerberg, 1973.

Bei manchen Anlässen thematisierten die Angehörigen der Hochschule – der Schulratspräsident oder Rektor ebenso wie Studierende – die Familienverhältnisse und ihre zukünftige Ausgestaltung ziemlich explizit. Ein ideales Forum dafür war der Polyball.