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Gefährdeter Hochschulstatus

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war der Stern des eidgenössischen Polytechnikums am sinken. Gerade noch rechtzeitig gelang es, die äusseren Beziehungen und die innere Organisation der Anstalt grundlegend und zukunftsweisend zu reformieren.

"Im Jahre 1903 hatte der Schulrat nicht allein eine aussergewöhnlich grosse Anzahl von laufenden Geschäften aller Art zu erledigen, sondern er musste sich auch mit Fragen beschäftigen, deren Lösung von einschneidendem Einflusse auf den Gang und die zukünftige Entwicklung des eidgenössischen Polytechnikums sein wird. Es sind dies die Frage der Reorganisation der Schule und die wieder aufgenommene Baufrage, bezw. die Aussonderungsangelegenheit mit dem Kanton und der Stadt Zürich."

(ETH-Jahresbericht 1903, 13)

Seit der Gründung der Anstalt 1855 hatte der Schulrat bei jeder passenden Gelegenheit betont, dass das eidgenössische Polytechnikum keine technische Mittelschule, sondern eine richtige Hochschule sei. Dank einem innovativen Schulkonzept und der Berufung ausgezeichneter Lehrkräfte erwarb es sich innerhalb kürzester Zeit einen hervorragenden Ruf und galt den deutschen Polytechnika bzw. technischen Hochschulen während Jahren als vorbildlich. Doch an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert drohte der alte Glanz zu verblassen, das eidgenössische Polytechnikum musste um seinen Hochschulstatus bangen.

Denn die Kriterien, denen eine technische Hochschule zu genügen hatte, hatten sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts stark gewandelt. Nach amerikanischem Vorbild wurden an den technischen Hochschulen grosse Laboratorien eingerichtet. In Europa gab Deutschland den Ton an. Der Aufstieg des deutschen Reiches zur führenden kontinentalen Macht wurde nicht zuletzt dem deutschen Bildungssystem zugeschrieben, die militärische und industrielle Stärke als Erfolg des technischen Hochschulwesens gedeutet.

1914 zog die Universität Zürich vom Semper-Bau in das neue Hauptgebäude (rechts). "Die alte und die neue Universität", Postkarte, 1914.
1914 zog die Universität Zürich vom Semper-Bau in das neue Hauptgebäude (rechts). "Die alte und die neue Universität", Postkarte, 1914.

Die deutschen technischen Hochschulen galten um 1900 als Mass aller Dinge, allen voran die Technische Hochschule Charlottenburg in Berlin. Sie zeichnete sich durch eine gute Laborinfrastruktur aus, hiess "Technische Hochschule", propagierte akademische Lehr- und Lernfreiheit und verfügte seit 1899 über das Promotionsrecht. Formal war sie damit den Universitäten gleichstellt.

Das eidgenössische Polytechnikum trug an der Wende zum 20. Jahrhundert keines dieser Insignien, die für zeitgenössische Begriffe den "Hochschulcharakter" einer Lehranstalt ausmachten. Die technischen Einrichtungen des Polytechnikums waren immer noch erstklassig, aber auch in diesem Bereich standen Schwierigkeiten an. Ein neuerlicher Mehrbedarf an Räumlichkeiten zeichnete sich Ende der 1890er-Jahre klar ab, die vielfältigen Verflechtungen mit der Universität, der Stadt und dem Kanton Zürich machten Baufragen aber zu einem bürokratischen Hindernislauf mit ungewissem Ausgang.

Der Aussonderungsvertrag von 1908, das Ergebnis von zehn Jahren Verhandlungen.
Der Aussonderungsvertrag von 1908, das Ergebnis von zehn Jahren Verhandlungen.
Als die auf zehn Jahre befristeten Verträge über die von Polytechnikum und Universität Zürich gemeinsam verwalteten Sammlungen ausliefen, packte der Schulrat die Gelegenheit beim Schopf. Im Sommer 1898 unterbreitete er den Beteiligten ein Programm, das die allmähliche bauliche Entkoppelung des Polytechnikums mit der Universität Zürich und eine klare Zuteilung der Zuständigkeiten von Bund, Kanton und Stadt Zürich anvisierte. Über die Grundsätze war man sich schnell einig, auch die kantonale Universität litt unter der "Raumnot". Der Formulierung des "Aussonderungsvertrages" ging hingegen ein jahrelanges Tauziehen um die Verteilung der Lasten voran, so dass der Vertrag erst 1908 ratifiziert werden konnte. Auf dieser Grundlage nahmen Polytechnikum und Universität die bis dahin blockierten Ausbaupläne rasch an die Hand und das Hochschulquartier erhielt innerhalb weniger Jahre ein ganz neues Gesicht.
Ebenfalls 1908 revidierte der Schulrat das allgemeine Schulreglement. Der Schulzwang wurde abgeschafft, an die Stelle der obligatorischen Jahreskurse traten so genannte Normalstudienpläne.

Im gleichen Jahr erhielt das Polytechnikum vom Bundesrat das Promotionsrecht zugesprochen. Seit 1909 konnte es den "Dr. der technischen Wissenschaften" sowie den "Dr. der Naturwissenschaften" und den "Dr. der Mathematik" verleihen. Als leicht verspätete Ergänzung folgte 1911 die Änderung des Namens. Fortan hiess das Polytechnikum "Eidgenössische Technische Hochschule", für die bald die Abkürzung E.T.H. gebräuchlich wurde. Der alte Name hielt sich aber bis heute: in der "Polybahn", der "Polyterrasse" oder dem "Polyball", und in der Umgangssprache ist noch oft vom "Poly" die Rede.

Den organisatorischen Reformen waren wie bei der Aussonderung langjährige Diskussionen vorausgegangen. Anders als bei jener waren bei den Schulreformen jedoch lange die Grundsätze umstritten. Starke Kräfte um Präsident Bleuler und aus dem Kreis der Gesellschaft ehemaliger Polytechniker GEP wollten am Altbewährten festhalten. Erst als das Präsidium des Schulrates 1905 von Hermann Bleuler zum Schuldirektor und Chemieprofessor Robert Gnehm wechselte und sich die Interessensorganisationen, die GEP und der Ingenieur- und Architektenverein SIA, eindeutig hinter die insbesondere von der Professorenschaft vertretenen Anliegen stellten, ging der zuvor über Jahre verschleppte Reformprozess voran.

Mit seiner eingangs zitierten Einschätzung lag der Schulrat im Übrigen richtig. Die infrastrukturelle Autonomie und der neu justierte Hochschulstatus waren "von einschneidendem Einflusse auf den Gang und die zukünftige Entwicklung des eidgenössischen Polytechnikums". Dank der zwar spät erfolgten, aber konsequent umgesetzten Reformen konnte es sich unter dem neuen Namen ETH in den folgenden Jahrzehnten als eine führende technische Hochschule international behaupten.

Patrick Kupper

   
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