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Frauen werden von der Bildungs- und Wissenschaftspolitik entdeckt

An Frauenfiguren und Bildern von Weiblichkeit fehlte es im Polytechnikum nie. Nur Studentinnen und Professorinnen sah man hundert Jahre so gut wie gar nicht.

Frauen gab es am Polytechnikum traditionell sehr viele. Sie schmückten als Allegorien die Wände der Aula und die Nordfassade. Die vier klassischen Fakultäten waren ebenso wie die drei Grazien als Symbole des Schönen vertreten. Ab 1896 wachten die von Natale Albisetti geschaffenen Allegorien der Wissenschaft, Technik, des Handels und der Landwirtschaft in den Nischen an der Westfassade, später rückten sie auf den der Stadt zugewandten Platz, die heutige Polyterrasse, vor. Und Frauen standen gleich reihenweise als makellos weisse Statuen in der Antikensammlung, die den hinteren Bereich der Einganghalle ausfüllte. Studentinnen, Dozentinnen oder gar Professorinnen hingegen suchte man lange vergeblich. Bis Mitte der 1960er-Jahre waren weniger als 5% der Studierenden Frauen.
Zwischen 1935 und 1965 vergab die ETH Zürich an 265 Frauen Ingenieur-Diplome. Dies entsprach ungefähr der Gesamtzahl an Diplomen, die man seit den 1920er-Jahren jährlich ausstellte. Nach 1945 wurde die Diskrepanz noch grösser: Nun waren die knapp 300 Bildungspatente, die Frauen in über 30 Jahre angesammelt hatten, schon der normale Halbjahresschnitt der ETH.
Statuen in der archäologischen Sammlung, um 1900.
Statuen in der archäologischen Sammlung, um 1900.

Die meisten Ingenieurdiplome gingen an Architektinnen und Chemikerinnen, die Diplome für Maschinenbauerinnen oder Elektrotechnikerinnen sowie Landwirtinnen oder Försterinnen lagen alle im einstelligen Bereich. Jacqueline Juillard, Chemikerin mit Ausbildung an der EPUL in Lausanne, legte diese Bilanz 1964 als Vertreterin des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverbands SIA auf der ersten internationalen Konferenz für Ingenieurinnen und Wissenschaftlerinnen in New York vor. Sie präsentierte die Zahlen in einer Sondernummer der jungen Zeitschrift "Nachwuchsförderung. Promotion", die ihre April-Ausgabe 1965 "ausschliesslich dem Problem der Leistungsreserven in unserer weiblichen Bevölkerung" widmete, nochmals dem schweizerischen Publikum.

Archäologische Sammlung im Erdgeschoss des Semper-Baus. Um 1900.
Archäologische Sammlung im Erdgeschoss des Semper-Baus. Um 1900.
Offenbar setzte die Verwendung von Bildern von Weiblichkeit im 19. Jahrhundert, als der Semperbau erstellt wurde, den "Ausschluss von Frauen aus Bereichen, zu deren Repräsentation ihr Bild dient", voraus (Wenk 1996, 62). Nur indem sie unbeschriebene, geschichtslose, mithin unwahrscheinliche Figuren blieben, konnte das ästhetische Ideal von Weiblichkeit den ebenso idealen Status der versinnbildlichten Prinzipien unterstützen. Den männlichen Protagonisten wiederum boten nicht nur die ausgestellten Prinzipien Rückversicherung darüber, welche Werte sie als Mitglieder der Wissenschaftsgemeinde anstrebten bzw. sich zuschreiben durften. Auch komplexere gesellschaftliche Ordnungen, etwa die soziale Position von Wissenschaftern und die unhinterfragten Geschlechterasymmetrien, waren als Selbstverständlichkeit täglich erfahrbar (Saxer 1999).

Das Bild, das sich der Wissenschaftsbetrieb von Frauen machte, und das öffentliche Bild von Frauen waren demnach höchst kompatibel. Sie ergänzten und bestärkten einander. Grundsätzlich war der Bildungsauftrag des Polytechnikums auf junge Männer ausgerichtet, denn nur sie galten als politik- und wirtschaftsfähig. Frauen war die politische Teilhabe verwehrt, ihre höhere Bildung war folglich nicht direkt mit dem Gemeinwohl des Landes verknüpft, nicht staatstragend und insofern viel begründungsbedürftiger. Diese Vorstellungen blieben unter den männlichen Politikern, Wirtschaftsvertretern und Hochschulpolitikern auch dann virulent, als das Frauenstudium Ende der 1950er-Jahre als ökonomische Notwendigkeit ins Gespräch kam. Man machte sich daran, "der Schwierigkeiten Herr zu werden", wie der Redaktor der Sondernummer zur akademischen Nachwuchsförderung für Frauen so einschlägig wie unglücklich formulierte. Seine weiteren Überlegungen legen davon Zeugnis ab.

"Im Durchschnitt heiraten heute unsere jungen Frauen mit 25; das Ruhestandalter liegt bei 65 Jahren. Folglich hat eine Schweizerin, wenn sie heiratet, 40 Jahre vor sich, in denen sie voll arbeitsfähig ist. Während diesen 40 Jahren sind in der Schweiz ungefähr 80% aller verheirateten Frauen nicht erwerbstätig. Es stehen also im Durchschnitt aller verheirateten Frauen 10 Berufsjahren dreissig Ehejahre gegenüber. Nun kann man annehmen, dass die Mutterschaft und Erziehung der Kinder im Leben der heutigen Familie (mit 2 bis 3 Kindern) höchstens 20 Jahre beansprucht. Somit könnte theoretisch die Zahl der erwerbstätigen Frauen schon jetzt verdoppelt werden, ohne die fundamentale Rolle der Mutter in der Familie im geringsten in Zweifel zu ziehen."

Die wenigen Akademikerinnen der Schweiz sahen in den strukturellen Blindstellen und Mustern, die solche Rechnungen und die damit einhergehenden Reden über das "Wesen der Frau" oder ihre "fundamentale Rolle" bestimmten, das Hauptproblem. Sie wurden über Generationen hinweg immer wieder wirksam und zementierten ganz natürlich den Status quo. Zu wenig Rollenmuster für Frauen seien gesellschaftlich akzeptiert und der Begriff 'weiblich' nur eindimensional mit Bedeutung belegt, monierte die promovierte Berner Gymnasiallehrerin und Philologin Elsbeth Pulver. Die Selbstbestätigung, die junge Männer aus den akademischen Ikonographien bezogen, musste bei Maturandinnen und Studentinnen in dauernde "Verunsicherung" umschlagen.

So zeigten die Rekrutierungsanstrengungen erst dann vermehrt Wirkung, als sich im Zuge der europäischen und US-amerikanischen Studenten- und Jugendbewegungen auch in der Schweiz Lebensformen und Rollenbilder zu liberalisieren begannen. Heute beträgt der Frauenanteil an den ETH-Studierenden circa 30%. Frauen haben 7% aller Professuren inne.

Andrea Westermann

   
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