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Pharmazie: Life Science mit Staatsexamen?

Unter dem Dach der Life Sciences scheint der ETH-Pharmazie ein Imagewandel zu gelingen. Ein Pharmaziestudium wird nicht mehr ausschliesslich mit dem Apothekerberuf in Verbindung gebracht.

Die Geschichte der Pharmazie an der ETH kann als Erfolgsgeschichte erzählt werden. Seit der Gründung des Polytechnikums 1855 wurde ein eigenständiges pharmazeutisches Fachstudium angeboten. Im Gegensatz zu den an der polytechnischen Schule viel prominenteren Ingenieurwissenschaften hat es die Pharmazie sogar geschafft, sich früh einen exklusiven Zugang zu einem eigenen Berufsfeld zu sichern: Ohne das im Rahmen der Verordnung für die eidgenössischen Medizinalprüfungen 1880 eingeführte Staatsexamen, das zum eidgenössischen Apothekerdiplom führt, kann keine Stelle in der behördlichen Arzneimittelkontrolle und -Abgabe angetreten werden. Auch wer sich mit einer Apotheke selbstständig machen will, braucht dieses Diplom. Nicht zuletzt wegen dieser besonderen beruflichen Stellung und der verantwortungsvollen Aufgabe im Medizinalbereich – der weisse Kittel ist und bleibt ein Autoritätszeichen – geniesst das Pharmaziestudium gesellschaftliches Ansehen: Der Apotheker bzw. die Apothekerin gehört immer noch zu den städtischen Honoratioren.

Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Universität Lüttich 1930 präsentiert sich die ETH, selbst gerade 75 Jahre alt geworden, mit einer Ausstellung.
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Universität Lüttich 1930 präsentiert sich die ETH, selbst gerade 75 Jahre alt geworden, mit einer Ausstellung.

In der Hochschulwelt hingegen hatte die Pharmazie stets mit Statusproblemen zu kämpfen. Sie ergaben sich daraus, dass sie sich an den Rändern der klassischen Wissenschaften Chemie, Medizin und Botanik etablierte (Beyerlein 1991, 29-31 und 151-154). Zur Erforschung und Optimierung neuer Wirkstoffe arbeitete sie immer auch mit den Methoden der angrenzenden Disziplinen – heute vor allem mit molekularbiologischen Verfahren. Auch in manch anderer Hinsicht nahm die Pharmazie eine Zwischenstellung ein, die einem stabilen disziplinären Selbstverständnis entgegenstanden. So verortete sie sich zwischen Arzt und Apotheker, zwischen Medizin und Naturwissenschaften, zwischen Wissenschaft und Profession, zwischen Beamtenstatus und freiem Beruf. Den Wissenschaftsforscherinnen Martina Merz und Christina Schumacher fiel auf, dass die Pharmazie ihre Wissenschaftlichkeit noch Ende der 1990er-Jahre unter Beweis stellen musste.

"Bereits in den ersten Gesprächen mit verantwortlichen Institutsmitgliedern stellt sich heraus, dass die Hochschulpharmazie kein unbefangenes Verhältnis zur Apotheke hat. Wie mir erzählt wird, weckt die Tatsache, dass die Pharmazie als Hochschulfach vorwiegend angehende Apothekerinnen und Apotheker ausbildet, bei der Technischen Hochschule Skepsis hinsichtlich der Förderungswürdigkeit des Fachs."

(Heintz et al. 2004, 86).

Nach einer schweizweiten Umfrage unter Hochschulabsolventen 1999 arbeiteten ein Jahr nach Studienabschluss 75% der Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in der Apotheke (zitiert nach Heintz et al. 2004, 86). Gegenüber diesem Durchschnittstrend haben sich an der ETH die Gewichte in den letzten Jahren in Richtung Forschung verschoben. Während in den 1980er-Jahren um die 80% der ETH-Diplomierten Apotheker oder Apothekerin wurden, sind es heute nur noch 50%. Die ETH-Professorin für Biopharmazie Heidi Wunderli-Allenspach stellte diese Trendwende als Folge einer gezielten Politik dar. Die Zahlen verdeutlichten, so Wunderli-Allenspach, dass die Strategie des Instituts aufgegangen sei, die klassische Pharmazie zu Pharmazeutischen Wissenschaften auszubauen (Wunderli-Allenspach 2004, 684).

Dabei galt es vor allem, den Erstsemestern Alternativen zum bislang klar angestrebten Berufsziel des Apothekers oder der Apothekerin schmackhaft zu machen. Deren Vorstellungen bei Hochschuleintritt zeugten vom langlebigen Bild der Pharmazie als einem Berufsstudium. Das Bild wurde noch dadurch abgestützt, dass sich der Apothekerberuf seit den 1950er-Jahren zu einem typischen 'Frauenberuf' gewandelt hatte. Familie und Beruf liessen sich, so die gängige Meinung, in der Apotheke leichter als sonst unter einen Hut bringen. Für naturwissenschaftlich interessierte Frauen lag die Aufnahme eines Pharmaziestudiums deswegen besonders nahe (Heintz et al. 2004, 211). Ihr Anteil an den Pharmaziestudierenden der ETH beträgt seit den 1980er-Jahren konstant über 70% (ETHistory 0403, Statistischer Überblick Nr. 4).

Für den Imagewechsel vom Berufsstudium zum forschungsorientierten Studium wendete die Pharmazie ihre traditionellen Zugehörigkeitsprobleme ins Positive und machte sie unter dem Stichwort Generalistentum zu ihrem Markenzeichen (Heintz et al. 2004, 188). In immer neuen Curriculum-Umstellungen wurde der Erwerb einer Allround-Forschungskompetenz vorangetrieben, beispielsweise über eine Vertiefung des medizinischen Wissens. Die Pharmazie passte sich damit vorzüglich in die neue "strategische Erfolgsposition" Life Sciences and Medical Engineering der ETH aus dem Jahr 2000 ein.

Direkte Alternativen. Nach 10 Semestern entscheiden sich Pharmaziestudierende entweder für das eidgenössische Apothekerdiplom oder eine Promotion. Curriculum der Pharmazeutischen Wissenschaften an der ETH 2004.
Direkte Alternativen. Nach 10 Semestern entscheiden sich Pharmaziestudierende entweder für das eidgenössische Apothekerdiplom oder eine Promotion. Curriculum der Pharmazeutischen Wissenschaften an der ETH 2004.

Besonders wichtige Änderungen im Studienplan waren die Einführung einer obligatorischen Diplomarbeit im Jahr 2000, in deren Verlauf Studierende eigene Forschungsprojekte durchführen. Ausserdem liegt das für den Erwerb des eidgenössischen Apothekerdiploms vorgeschriebene Praxisjahr mittlerweile nach dem Bachelor- und Master-Abschluss. Die Promotion rutschte auf diese Weise in der Studienplan-Gliederung weiter nach vorne: Apothekerdiplom und Promotion werden nun als Alternativen präsentiert (Wunderli-Allenspach 2004, 685). Dies könnte den Anreiz zur Promotion unter Pharmazieabsolventen und -absolventinnen erhöhen, denn in der Regel promovieren nur etwa 10-30% unter ihnen. Häufig kommen Doktorandinnen und Doktorandinnen der Pharmazie ursprünglich aus der benachbarten Molekularbiologie, Biologie oder Chemie (Heintz et al. 2004, 89): Methodenimport und Personalrekrutierung gehen in diesem Fall Hand in Hand. Bis jetzt allerdings, so der emeritierte Pharmazieprofessor Otto Sticher in seinem Überblick über die Departementsgeschichte der letzten 25 Jahre, wurde die Option, direkt nach dem Diplom eine Dissertation zu beginnen, das Staatsexamen also zu 'überspringen', nicht in Anspruch genommen (ETHistory 03010603).

Gleichzeitig wird das Apothekerdiplom mit Mehrwert für die Arbeitswelt der Life Sciences versehen: "The federal diploma ist attractive as it opens the door to all fields regulated by government legislation including production and control. This provides a competitive advantage as compared to the other studies in the life sciences field" (Wunderli-Allenspach 2004, 682).

Andrea Westermann

   
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