ETHistory 1855-2005

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Institut für Angewandte Mathematik

Auf Jahresbeginn 1948 wurde das Institut für Angewandte Mathematik gegründet, zum Vorsteher wurde Prof. Eduard Stiefel ernannt. Ziel des neuen Instituts war es, an der ETH programmierbare Rechenleistung verfügbar zu machen. Es bestand indessen nicht nur innerhalb der Hochschule eine Nachfrage nach Rechenleistung, sondern auch von Seiten der Privatwirtschaft und der Armee. Am Ende der 1940er Jahre waren noch keine kommerziellen Computer erhältlich, jede Maschine wurde von Grund auf neu konstruiert. In zahlreichen wissenschaftlichen Institutionen auf der ganzen Welt waren Projekte zur Planung und zum Bau solcher Anlagen im Gang.

Mitarbeiter des Instituts für Angewandte Mathematik an der ETH. Stehend von links nach rechts: Prof. Stiefel, Prof. Rutishauser, Fräulein Hürlimann, Herr Schäppi, Dr. Speiser, Prof. P. Läuchli, Herr Stock, Herr Schai und Herr Appenzeller; sitzend von links nach rechts: Herr Silberling, Herr Walter, Herr Engel und Herr Messerli. Im Hintergrund rechts der Prototyp eines elektronischen Speichers, gebaut für den Relaiscomputer Z4. Das Bild stammt vermutlich aus dem Jahr 1953. Quelle: Bildarchiv ETH-Bibliothek, Zürich.
Mitarbeiter des Instituts für Angewandte Mathematik an der ETH. Stehend von links nach rechts: Prof. Stiefel, Prof. Rutishauser, Fräulein Hürlimann, Herr Schäppi, Dr. Speiser, Prof. P. Läuchli, Herr Stock, Herr Schai und Herr Appenzeller; sitzend von links nach rechts: Herr Silberling, Herr Walter, Herr Engel und Herr Messerli. Im Hintergrund rechts der Prototyp eines elektronischen Speichers, gebaut für den Relaiscomputer Z4. Das Bild stammt vermutlich aus dem Jahr 1953.
Quelle: Bildarchiv ETH-Bibliothek, Zürich.

Stiefel stellte Heinz Rutishauser und Ambros P. Speiser als Assistenten ein. Beide hatten an der ETH studiert, ersterer Mathematik, letzterer Elektrotechnik. Das Dreierteam verschaffte sich in einer ersten Phase einen Überblick über Computerprojekte an anderen Universitäten und Hochschulen. Vom Oktober 1948 bis März 1949 wurde eine gemeinsame Studienreise in die USA unternommen, Rutishauser und Speiser blieben sogar bis zum Ende des Jahres 1949. Während diesen Aufenthalten wurde ihnen weitreichenden Einblick in die verschiedenen Projekte ermöglicht, zurück in Zürich konnten sie auf ein breites Wissen über den gegenwärtigen Stand abstützen. Stiefel reiste vom Juli 1951 bis Februar 1952 ein zweites Mal in die USA. Ihm fiel auf, dass sich seit seinem ersten Aufenthalt der Bau mehrerer grosser Computer verzögert hatte und dass Projekte sogar abgebrochen worden waren. Stiefel gelangte zum Schluss, dass ein Schweizer Computer im Vergleich zu den amerikanischen nicht nur günstig, sondern auch einfach aufgebaut sein musste. Nur so würde sich der Bau einer Anlage an der ETH realisieren lassen.

Auf den Studienreisen wurde zudem klar, dass die Projektierung und der Bau eines eigenen Rechners mehrere Jahre beanspruchen würden. Um dennoch möglichst bald über programmierbare Rechenkapazität zu verfügen, evaluierte Stiefel zunächst den Kauf einer Lochkartenmaschine von IBM, deren Nutzen für das Institut aber beschränkt war. Dann vernahm er, dass der deutsche Ingenieur Konrad Zuse eine seiner Relais-Rechenmaschinen durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs hatte retten können. Zuse hatte seinen Z4-Computer am Ende des Krieges aus dem umkämpften Berlin nach Hopferau im Allgäu transportiert. Stiefel schloss mit ihm einen Vertrag ab und mietete die Z4 zu einem jährlichen Preis von 10'000 Franken. Nach Ablauf dieser Zeit bestand die Option, die Maschine für weitere 20'000 Franken zu kaufen. Der Abschluss kam zu Stande obwohl die Z4 als Relaiscomputer gegenüber der modernen Röhrentechnik bereits als veraltet galt. Stiefel unterschrieb aber nicht zuletzt deshalb, weil die Z4 zu diesem Zeitpunkt der einzige überhaupt verfügbare Computer auf dem europäischen Kontinent war.

Im August 1950 wurde die Z4, der erste Computer an der ETH, im Hauptgebäude installiert. Zuse weilte immer wieder in Zürich, um Servicearbeiten an seiner Maschine durchzuführen. Abgesehen von Ausfällen an mechanischen Teilen, vor allem im Speicher, arbeitete sie aber äusserst zuverlässig. Wenige Wochen nach der Installation nahm sie den produktiven Betrieb auf.

In der Regel lief die Z4 Tag und Nacht, bei langen Jobs oft ohne Aufsicht. In seiner Autobiografie schreibt Zuse über seine Aufenthalte an der ETH:

"Immerhin besass das verschlafene Zürich durch die ratternde Z4 ein, wenn auch bescheidenes, Nachtleben. Ich selbst besass einen Schlüssel zum Hauptgebäude der ETH, und manches Mal bin ich spät in der Nacht durch die einsamen Züricher Gassen gegangen, um nach der Z4 zu sehen. Es war ein eigenartiges Gefühl, in die menschenleere ETH einzutreten und bereits im Parterre zu hören, dass die Z4 im obersten Stock noch einwandfrei arbeitete."

(Zuse, Lebenswerk, S. 108).

Parallel zur Inbetriebnahme der Z4 begann die Planung der ERMETH (Elektronische Rechenmaschine an der ETH). Der Bau dieses ETH-eigenen Computers konnte 1957 erfolgreich abgeschlossen werden.


Materialien


Personen


Bibliografie


© 2005 ETHistory 1855-2005 | Last update: 28.7.2005 |
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