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Die Herausbildung des Ingenieurblicks

Ob Mechaniker, Architekt oder Geometer: Ingenieure zeichnen.
Die praktischen Zeichenübungen hatten die Herausbildung eines 'professionellen Blicks' zum Ziel.

Mit dem 'professionellen Blick' ist ein ganzes Bündel verinnerlichten Wissens gemeint. Der angehende Techniker sollte sich darin üben, "jede Gestalt, die er zeichnet, in seinem Geiste nicht als eine flache, wie sie auf dem Papiere ist, sondern als eine erhabene, körperliche sich vorzustellen und sich alsdann Rechenschaft zu geben, wie diese Gestalt, von verschiedenen Standpunkten aus gesehen, erscheinen müsse." Der Kommentar zum ersten Reglement 1854 hielt diese Übung für die beste praktische Vorbereitung zum Verständnis der wissenschaftlichen Perspektive. Zugleich sei sie "für den jungen Baumeister der sicherste Weg zu jener Stufe seiner ästhetisch-technischen Ausbildung, auf welcher er sicher ist, vermöge des also geübten Blicks, auch ohne Anwendung künstlicher Hilfskonstruktionen, gleichwohl nie einen bedeutenden Fehler gegen die strengen Anforderungen jener wissenschaftlichen Disziplin zu begehen."

Auch Absolventen von Industrieschulen und Technika, die – eine bis ins frühe 20. Jahrhundert typische Bildungskarriere – an das Polytechnikum wechselten, hatten schon eine stattliche Sammlung geometrischer und Maschinenzeichnungen im Gepäck. Zur dringlichen Abgrenzung von den Lehrplänen dieser Schulen eignete sich Carl Culmanns auf der so genannten "Geometrie der Lage" aufbauende "graphische Statik". Seit 1855 war Culmann am Zürcher Polytechnikum Professor für Ingenieurwissenschaften. Die Zeitgenossen erkannten seine Arbeiten zum Brückenbau als genuin technikwissenschaftliche Weiterentwicklung der Mathematik an und sicherten der entsprechenden Basisoperation, dem grafischen Rechnen mit "Strecken" über Jahre hin einen Platz in der ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung (Hensel 1989, 50).

Die grafische Statik wurde bis zur Jahrhundertwende, teils bis in die 1920er-Jahre hinein, gelehrt, bevor sie in die technische Mechanik integriert wurde und das grafische Rechnen in der angewandten bzw. numerischen Mathematik mündete (Maurer 1998, 238-39).

In Absprache mit Culmann begann Karl Theodor Reye, der ab 1863 Privatdozent und später Titularprofessor in Zürich war, die Geometrie der Lage didaktisch aufzubereiten, bevor er 1870 an die neu gegründete technische Hochschule in Aachen wechselte. Er las ab 1864 an der sechsten Abteilung je drei Stunden zum Thema, ausserdem wurden zwei Stunden praktische Übungen angeboten. Wilhelm Fiedler wurde 1867 in Erweiterung der Professur für darstellende Geometrie auch mit dem Gebiet der Geometrie der Lage betraut. Damit war Fiedler bei der Aufgabe, das 1854 noch stark künstlerisch verstandene "Anschauungsvermögen" zu verwissenschaftlichen, der Dritte im Zürcher Bunde. Er entwickelte die darstellende Geometrie in engem Bezug auf Culmann weiter. Fiedler wollte so dem angestrebten Hochschulstatus der technischen Hochschulen gerecht werden: Die Aufgabe der Geometrie für die Ingenieurausbildung sei durch "die Herausbildung der technischen Schulen zu Hochschulen der Mathematik und der Naturwissenschaften, die sie jetzt sein müssen, um ihre Aufgaben zu erfüllen, wesentlich beeinflusst worden".

Die Zürcher Position, die das zeichnerische Arsenal der Ingenieurfächer theoretisch sehr weitreichend abstützte, wurde nicht überall geteilt. Eine Verbreitung der grafischen Statik ausserhalb des Eidgenössischen Polytechnikums gelang nur um den Preis, den voraussetzungsvollen mathematischen Apparat sofort wieder zu schleifen. Culmann verurteilte diese Aneignung und schimpfte 1875 im Vorwort der zweiten Auflage seiner "Graphischen Statik": Mit Begierde habe man sich zwar auf einzelne "Constructionen geworfen, welche mit Linien leichter als mit Zahlen einzelne Bauaufgaben lösen". Grundsätzlich aber werde nun "in zahlreichen größeren und kleineren Abhandlungen" die Statik "ihres Geistes entkleidet". Er sah seine Verwissenschaftlichungsanstrengungen torpediert und erklärte beleidigt, dass er schließlich nicht für den Hausgebrauch von "Baugewerkschulen und derartigen Instituten zweiten Ranges" geschrieben habe, sondern für polytechnische Schulen, die "denn doch höhere Ziele verfolgen".

Andrea Westermann

   
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